Donnerstag, 6. September 2012

Trockenzeit (I)

Seit dem 2. Juni 2010 bin ich nun trocken. An jenem Tag begann ich auf einer psychiatrischen Suchtstation in Schleswig-Holstein meine Entgiftung und meine Alkoholentzugstherapie. Vorausgegangen war dem eine eher unspektakuläre fast 30 Jahre lange Trinkerkarriere, die Mitte April 2010 ihren Höhepunkt in einem körperlichen und seelischen Zusammenbruch fand – ausgelöst durch einen unbedachten kalten Entzug. Dieser Zusammenbruch hat mich jedoch dazu gebracht endlich einzusehen, dass ich Hilfe benötige und dass meine Sauferei ein Ende haben muss.

An diesem Mittwochmorgen im April hatte ich buchstäbliche Todesangst und diese Angst und die Erinnerung daran hat mich auch die folgenden Wochen und Monate begleitet und an meinem Ziel festhalten lassen, keinen Alkohol mehr zu trinken. Zwischen dieser festen Absicht und der tatsächlichen Verwirklichung, lagen jedoch einige Brocken, die aus dem Weg geräumt werden mussten.

Meine Hausärztin hatte mich nach meinem Zusammenbruch ja erst einmal für die nächsten beiden Wochen auf arbeitsunfähig gesetzt. Naiv wie ich war, dachte ich mir, dass ich in der Zeit mal schnell eine Klinik suche, die mich aufnimmt und die die notwendige Entgiftung vornimmt. Gleichzeitig wollte ich nach einer Möglichkeit für eine – wie auch immer geartete – Langzeittherapie suchen, die sich am besten direkt anschließen sollte. So einfach läuft / lief das aber nicht!

Übers Internet hatte ich mir eine Suchtklinik in der Nähe ausgesucht in der ich meinen Alkoholentzug starten wollte. Meine Wahl fiel auf ein Klinikum in Lüneburg, in Niedersachsen. Ich rief dort an und bekam erst einmal gleich die Absage aufgrund der Tatsache, dass ich in Schleswig-Holstein wohne und daher auch zu allererst eine Klinik in SH zu suchen hätte! Erst wenn gar nichts ginge und der absolute Notfall einträte – ja dann vielleicht…..
Parallel dazu habe ich mich schon mal mit der Krankenkasse in Verbindung gesetzt und in Erfahrung gebracht, was die so für einen tun können. Ich war da absolut ehrlich am Telefon, habe erklärt was Sache ist und bin dann auch an entsprechende Stellen vermittelt worden, die mir mit Informationen zur Seite standen. Ich muss dazu sagen, dass ich privat versichert bin und damit – wie meine Frau zu sagen pflegt – zu den privilegierten Arschlöchern gehöre, die auch bei vollem Wartezimmer meist gleich vorgelassen werden. Für einen Klinikaufenthalt wegen Alkoholsucht gilt das aber nicht – wie ich schnell lernen durfte! Im Gegenteil, da sich die privaten Versicherer oftmals ein wenig mehr zieren als die gesetzlichen Kassen wenn es um die Therapiebezahlung geht, ist man nicht unbedingt überall gern gesehener Gast mit einer DKV-Card, habe ich mir erzählen lassen – selbst bestätigen kann ich das nicht – ich bin sehr gut behandelt worden – sowohl von meiner Krankenkasse als auch im Krankenhaus. Nur bis dahin war es doch ein ziemlicher langer Weg.
Meine Krankenkasse hatte mir dann sehr schnell eine Auswahl von Therapieplätzen in meiner Umgebung geschickt und ich fing wieder an zu telefonieren. Zunächst ging es mal darum, überhaupt einen Platz für eine Entgiftung zu bekommen. Das war nicht ganz einfach und lag unter anderem auch daran, dass es mir offensichtlich "zu gut" ging: Ich war ja zwar krankgeschrieben und habe weiterhin getrunken, aber davon merkte man am anderen Ende der Leitung wohl wenig, bzw. man hat mich einfach nicht wirklich ernst genommen – wie oft kommt es wohl vor, dass ein Alkoholabhängiger ganz klar sagt was er will und das dann möglichst schnell?
Wo auch immer ich anrief – zunächst einmal war kein Entgiftungsplatz zu bekommen. Sehr schön war ein Angebot einer im Milieu sehr bekannten Einrichtung: Man könne mir wohl ein Bett bieten- das würde aber wohl erst einmal auf dem Gang oder vielleicht auch schon(!) in der Teeküche stehen, bis eventuell ein Platz in einem der Zimmer frei werden würde. Ich solle doch einfach mal auf gut Glück vorbeikommen! Das habe ich lieber gelassen und ich habe mein Glück dann im Uni-Klinikum Lübeck versucht. Auch dort hat man mich vertröstet – ich solle doch in der nächsten Woche nochmals nachfragen. Ich habe dann noch andere Stellen angerufen, aber immer wieder eine Absage erhalten. Nach weiteren 3 Tagen habe ich dann nochmals in Lübeck nachgefragt und bin wieder auf eine Woche weiter vertröstet worden. Da habe ich dann zwei Tage später nochmals angerufen und dann endlich habe ich einen Termin für den 2. Juni 2010 für eine Entgiftungsbehandlung bekommen – ich sollte aber 1 Woche vorher nochmals anrufen und mir den Termin bestätigen lassen. Später habe ich dann erfahren, dass dieses "Vertrösten" durchaus Methode hatte – die meisten Alkoholiker rufen nämlich im ersten Überschwang alle möglichen Stellen an und versprechen das Blaue vom Himmel – erscheinen dann aber nie zu entsprechend vereinbarten Terminen. Man muss erst einmal durch entsprechende Hartnäckigkeit beweisen, dass man es auch ernst meint. Ich meinte es absolut ernst und habe den Termin dann eine Woche vorher bestätigt und ich bin pünktlich am 2. Juni 2010 um 10:00 Uhr auf der Station gewesen. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich mein Trinkverhalten in keinster Weise geändert – ich habe weitergesoffen wie vorher auch, also mehr als eine Flasche weißen Rum pro Tag.

Die Ankunft morgens auf der Station war schon irgendwie ein Schock. Ich musste erst einmal warten, denn es war gerade kurz vorher noch ein Notfall eingetroffen und die Pflegemann(frau)schaft war voll ausgelastet. Der Flur in dem ich wartete stank nach Kotze, weil der Notfall sich da übergeben hatte und der Geruch sich auch nach der Fußbodenreinigung noch im Haus hielt. Ziemlich fertige Gestalten geisterten umher, einige sehr verwirrt und einige ziemlich verwahrlost aussehend. Nach etwa 45 Minuten Wartezeit hatte dann einer der Pfleger Zeit für mich und begann die Aufnahmeprozedur. Erste Amtshandlung: Ins Röhrchen blasen! Erkenntnis: Ich hatte noch 1,1 Promille Restalkohol(!) vom Abend vorher. Also eigentlich fahruntüchtig und doch bin ich ja mit dem Auto angereist – bei der Abfahrt drei Stunden vorher hatte ich also ca. 1,4 Promille – der Lappen wäre bei einer Kontrolle auf lange Zeit weg gewesen. Schlimmer war für mich allerdings die Erkenntnis, dass ich ja jahrelang mit einem derartigen Alkoholgehalt morgens ins Büro gefahren bin! Da hatte ich (und viele andere Verkehrsteilnehmer) aber echt Glück gehabt, dass bis dahin nichts passiert war.
Als nächstes wurde dann Blutdruck gemessen – 100 zu 160 – kaum verwunderlich, schließlich war ich ziemlich aufgeregt. Der Pfleger unterhielt sich mit mir die ganze Zeit sehr höflich und vernünftig, worüber ich sehr froh war – irgendwie hatte ich doch befürchtet, dass man mir doch Vorwürfe macht wegen meiner Trinkerei. Aber nichts dergleichen war jemals der Fall! Unter anderem erzählte er mir, dass man im Augenblick doch ein wenig Schwierigkeiten hätte, einen Platz für mich zu finden, weil in den Tagen zuvor doch jede Menge ungeplante Neuzugänge dazugekommen waren. So waren sogar Patienten, die eigentlich in die geschlossene Abteilung gehörten, in diese offene Abteilung "ausgelagert" worden und damit eigentlich kein Platz mehr für mich. Ich hatte mittlerweile kompletten Bammel vor der eigenen Courage und bot natürlich sofort an, "irgendwann" wieder zu kommen, wenn der Andrang nicht so groß wäre. Aber das hatte der Pfleger natürlich sofort durchschaut und meinte dann, er würde einen Platz für mich finden – und wenn er einen der sowieso hoffnungslosen Fälle dafür entlassen müsste! Tja – da war nix mit Kneifen – die kannten ihre Pappenheimer ganz genau – wie ich auch später noch häufiger erfahren durfte!

So begann dann mein erster Tag auf der Entgiftung in der Psychiatrie des Uni-Klinikums Lübeck. Der Pfleger gestattete mir dann noch mein Auto zu parken - meinen Koffer hatte er schon mal vorsichtshalber ins Stationszimmer verfrachtet :-) - und als ich dann zurückkam, hatte er auch bereits ein Bett in einem Zweibettzimmer für mich "freigeschaufelt", wie er sagte. Ich bin da dann eingezogen und dann wurde ich genauer untersucht – also quasi "von Hack' to Nack'" wie man bi uns so secht - wie man bei uns zu sagen pflegt. Blut wurde abgenommen – wie ich hinterher erfuhr, hatte ich einen Gamma-GT von 156 – Kindergeburtstag meinte der Pfleger dazu – es wären auch schon welche mit Werten über 2000 da gewesen.

Mit diesen Untersuchungen ging der Nachmittag herum und im Anschluss bekam ich dann vom Pflegepersonal ein paar Infos zu Verhaltensregeln und dem weiteren Verlauf der Entgiftung. Ich befand mich nun als offizieller Patient stationär in einer psychiatrischen Klinik – auch eine Erkenntnis, die ich erst einmal verdauen musste. Der Kröpel in der Klapse quasi…

Wie es da dann weiterging, erzähle ich im II. Teil der Trockenzeit.

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