Donnerstag, 4. August 2011

Mein Kalter Entzug...

Ich bin als sogenannter Delta-Alkoholiker irgendwann an eine logistische Grenze meines Alkoholkonsums gestoßen. Soll heißen, ich hatte irgendwann nach der Arbeit nicht mehr wirklich genug Zeit, genügend Alkohol zu trinken, um meinen notwendigen Funktionspegel zu erreichen. Trinken während der Arbeit war absolut tabu - alleine schon weil ich ja mit dem Auto hin und wieder zurück fuhr bzw. immer noch fahre. Außerdem hätte ich mit dem Trinken von Alkohol während der Arbeit eine Grenze überschritten, die mich vermutlich davor bewahrt hat, komplett abzustürzen. Ich habe mir ja lange selbst vorgemacht, alles unter Kontrolle zu haben und so war ein derartiger (weiterer) Kontrollverlust gar nicht denkbar für mich. Aber selbst mit dem zeitlich und mengenmäßig möglichen Alkoholkonsum innerhalb der Woche, ging meine Leistungsfähigkeit immer mehr den "Bach 'runter“. Oft waren 5 Tage arbeiten im Büro am Stück gar nicht mehr zu leisten für mich. Ich war regelmäßig kurzeitig "krank“. Immer nur 2-3 Tage – dafür brauchte ich kein Attest. Ich bin auch morgens nicht aus dem Bett gekommen, das führte dann zu sehr spätem Erscheinen auf der Arbeit. Lange konnte ich das dann am Schluss auch nicht mehr dort aushalten, denn ich musste ja bald wieder nach Hause, um zu trinken. So haben sich dann natürlich ganz schnell Minusstunden auf meinem Arbeitszeitkonto angesammelt, die ich natürlich auch immer schlechter ausgleichen konnte.

Ich habe dann beschlossen, in der Woche wesentlich weniger zu trinken. Das war am Wochenende 17./18.04.2010. Ich habe an dem Sonntag schon wenig getrunken und bin sehr früh ins Bett gegangen und am Montag auch verhältnismäßig früh aufgestanden. Der Montag war dann ein normaler Arbeitstag und an dem Abend habe ich mich auch an meinen Vorsatz gehalten, weniger als sonst getrunken und vor allen Dingen bin ich wieder früh zu Bett gegangen. Der Dienstag verlief dann schon nicht mehr ganz problemlos, ich war den ganzen Tag unruhig und extrem gereizt und „dünnhäutig“. Am Abend besserte sich das ein wenig, da ich ja trinken konnte. Ich habe aber auch an dem Abend wesentlich weniger getrunken als sonst und bin wiederrum früh ins Bett gegangen. Ich konnte schlecht einschlafen und ab ca. 02:30 Uhr am Mittwochmorgen, lag ich wach im Bett auf dem Rücken, hatte fürchterliches Herzrasen und eine regelrechte Todesangst. Ich bekam (gefühlt) nicht genug Luft und mir war abwechselnd kalt und heiß – außerdem zitterte ich wie Espenlaub. Ich dachte, ich würde sterben. Als meine Frau um 7:00 Uhr aufstand war ich so fertig, dass ich schlicht nichts mehr konnte und ich hatte immer noch ganz schlimme Angst. Ich habe mich dann nach unten geschleppt und versucht meinen Hausarzt zu erreichen. Da war noch keiner und so versuchte ich irgendwie ruhiger zu werden und ein wenig „runter“ zu kommen. Ab 8:00 Uhr erreichte ich dann meine Arztpraxis, aber die hatten frühestens ab Mittag Zeit für mich. Ich habe dann eine andere Arztpraxis angerufen und meine Symptome geschildert, woraufhin die mich direkt zu sich bestellten und mich auch sofort untersuchten. Blutdruck 270 zu 160 und Herzflattern ohne Ende. Das EKG war allerdings hinsichtlich Herzinfarkt unauffällig.

Ich kam dann zu der dortigen Ärztin und ich habe mich dann spontan entschlossen, der Frau kompletten „reinen Wein“ einzuschenken. Ich habe ihr alles über meinen Alkoholkonsum erzählt und auch, dass ich seit Sonntag versuche weniger zu trinken. Sie hat mir dann erklärt, dass die bei mir aufgetretenen Symptome typische Entzugserscheinungen sind und auch lebensbedrohlich sein können. So gesehen war meine Todesangst nicht einmal unbegründet. Sie hat mich dann weiter untersucht – unter anderem hat sie auch eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes durchgeführt. Wie nicht anders zu erwarten war, war da mittlerweile eine deutlich vergrößerte Fettleber zu erkennen, allerdings glücklicherweise noch keine irreversiblen Gewebsveränderungen. Im anschließenden Gespräch hat sie mir eindringlich erläutert, dass ein Entzug in der Form, wie ich ihn angegangen bin, unverantwortlich ist. Sie erklärte mir auch, dass ich wohl noch die Chance hätte, ohne bleibende Schäden davonzukommen, wenn ich jetzt aufhören würde zu trinken und mich in entsprechende Behandlung begeben würde. Sie hat mich dann krankgeschrieben und mir geraten eine klinisch betreute Entgiftung zu machen.

Ich bin dann wieder nach Hause gefahren und das erste was ich gemacht habe war, mir einen ordentlichen Drink zu mischen. Nach dem zweiten oder dritten war ich soweit ruhig, das ich mir das ganze Desaster meiner Lage vor Augen führen konnte. Eigentlich war ich am Ende. Ich hätte natürlich jetzt bis Ende der Woche krank bleiben können und wäre dann wieder in den „normalen“ Tagesablauf gewechselt.

Aber irgendetwas hatte da bei mir „klick“ gemacht – ich konnte die ganze Zeit – und kann es auch heute noch – diese Angst „schmecken“, die ich am Morgen hatte. Außerdem – was hätte ich meiner Frau sagen sollen? Sie hatte gesehen, wie sehr ich sowohl körperlich als auch seelisch mitgenommen war und würde sich nicht mit einer Ausrede abspeisen lassen. Darüber hinaus begriff ich das Ganze dann auch irgendwie als eine Chance, nun endlich ganz konsequent etwas gegen meinen Alkoholmissbrauch zu unternehmen. Ich schrieb schon mal, dass mir durchaus schon lange klar war, dass mein Trinkverhalten nicht normal und gesund war, aber….

Ich bin dann zu der Überzeugung gekommen, dass ich es jetzt tun muss und alles in Angriff nehmen muss, was notwendig ist, um endlich mit dem Saufen aufzuhören. Ich habe damit dann direkt begonnen und sofort angefangen, nach einer Klinik zu suchen, in die ich für eine stationäre Entgiftung aufgenommen werden konnte. Das erwies sich als gar nicht so einfach - doch darüber werde ich noch gesondert schreiben.

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